Wo werden Poljot Uhren hergestellt?

by wbartl
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Poljot Armbanduhr

Bei Uhrenliebhabern stößt auch heute der Markenname Poljot, ursprünglich ein Modellname der Ersten Moskauer Uhrenfabrik, später dann Markenbezeichnung für alle dort gefertigten Uhren, auf großes Interesse. Besonders Fans von russischen Uhren schwärmen von der Qualität der mechanischen Uhren aus der Sowjetunion.

Die erste staatliche Uhrenfabrik

Vermutlich im Jahr 1929, einige Quellen geben 1927 an, wird auf Befehl von Josef Stalin die erste staatliche Uhrenfabrik gegründet. Sie ist somit der erste sowjetische Großhersteller von Uhren und mechanischen Uhrwerken. Die Grundsteinlegung erfolgt im Februar 1930 und bereits am 1. Oktober 1930 eröffnet das Werk in der Moskauer Worontsovskaya Straße auf dem Gelände einer ehemaligen Tabakfabrik.

Ursprünglich besteht die Uhrenindustrie der Sowjetunion aus kleinen Werkstätten und Manufakturen, die im staatlichen Trust für Feinmechanik (Гострест Точмех) zusammengeschlossen sind. Die Uhren werden aus den Einzelteilen zusammengebaut, die im Ausland beschafft oder im Inland hergestellt werden können. Der wachsende Bedarf der Regierung an modernen und qualitativ hochwertigen Uhren, die auf russischem Boden hergestellt werden, führt im Rahmen des Fünf-Jahres-Plans dazu, dass die erste Uhrenfabrik in Moskau gegründet wird. Der Plan sieht vor, dass 1,5 Millionen Wanduhren, 400.000 Wecker und 45.000 elektrische Zeitmesser produziert werden sollen.

Die Gründung der Fabrik stellt allerdings ein Herausforderung dar, da es keine richtige Ausrüstung, und nur ein paar ausgebildete Techniker gibt. Hinzu kommt, dass die politische Situation es schwierig bis unmöglich macht mit anderen Ländern zu handeln. Schließlich will kein Land sein Wissen und sein Personal, aus Furcht vor wachsender Konkurrenz, abgeben. Die Lösung kommt schließlich aus einer sehr interessanten und unerwarteten Quelle: den Vereinigten Staaten.

Bankrotte amerikanische Uhrenfabrik wird nach Moskau verlegt

1930 kauft die russische Regierung für die vergleichsweise geringe Summe von 325.000 US-Dollar die in Konkurs gegangene Dueber-Hampden Uhrenfabrik aus Canton, Ohio. Das Geschäft umfasst neben den Patenten, die Ausrüstung und die verbliebenen Uhrenteile der Fabrik. Darüber hinaus reisen 23 Fabrikarbeiter von Dueber-Hampden in die Sowjetunion, um sowohl die Installation der Ausrüstung zu beaufsichtigen, aber vor allem, um russische Uhrentechniker auszubilden.

Ein interessanter Fakt am Rande ist, dass die Amerikaner, die nach Moskau ziehen und dort ein Jahr lang beim Aufbau der Ersten Staatlichen Uhrenfabrik (1GCHZ oder 1ГЧЗ) helfen, kein Wort Russisch sprechen und die russischen Techniker kein Wort Englisch, aber beide Parteien können Deutsch, da der Staat Ohio zu dieser Zeit hauptsächlich von deutschen Einwanderern bevölkert ist. Parallel zu diesem Geschäft werden auch die Anlagen der Ansonia Clock Company durch die US-Regierung an die UdSSR verkauft.

Erster Erfolg mit Taschenuhren

Die ersten von der 1GCHZ hergestellten Uhren sind Taschenuhren deren Erfolg und Popularität umgehend zu einem Symbol der russischen Autonomie und Selbstständigkeit avancieren. In den Jahren von 1930 bis 1940 produziert die Fabrik 2,4 Millionen Taschenuhren. Die Uhrwerke früher Produktionen sind noch mit dem Stempel „Dueber-Hampden, Canton, Ohio USA“ versehen. Die erste Taschenuhr heißt Typ-1 K-43 („K“ wie Карманные, was Taschenuhr heißt kombiniert mit der Größe in Millimeter, in diesem Fall 43) die, nicht überraschend, von Dueber-Hampdens Werk Size-16 inspiriert ist.

Verlegung und Wiederaufbau

Im Jahr 1935 wird die Fabrik offiziell nach dem ermordeten sowjetischen Partei-Funktionär Sergej Kirow benannt, aber der Name hat keinen Bestand. Anfang des Zweiten Weltkriegs wird der Schwerpunkt der Produktion auf Uhren für die Rote Flotte und Borduhren für die Luftwaffe verlegt. Während des Zweiten Weltkriegs wird die Fabrik nach Zlatoust und Tschaljabinsk verlegt. Erst als sich die Deutschen 1942–1943 zurückziehen, kehrt die Fabrikation wieder nach Moskau zurück.

In den Jahren nach der Rückkehr ändert die Fabrik erneut ihren Namen und wird als Erste Moskauer Uhrenfabrik (1MCHZ oder 1МЧЗ) bekannt. Der Maschinenpark wird erneuert. Anstelle der veralteten Werkzeuge und Maschinen, die 1930 aus den USA mitgebracht wurden, verwendet die 1MCHZ nun Geräte, die von dem französischen Uhrenhersteller LIP geliefert werden. Aber auch aus dem sächsischen Ort Glashütte, das zur sowjetischen Besatzungszone gehört, werden nun Maschinen demontiert und nach Moskau geschafft. Die ansässigen Uhrmacher werden dazu verpflichtet die russischen Kräfte auszubilden.

Die 50-er und 60-er Jahre

Im Jahr 1957 wird die automatische Armbanduhr „Sputnik“ zum Gedenken an den Start des allerersten Satelliten herausgegeben. Sie zeichnet sich durch ein sehr originelles Design aus, das für die damalige Zeit recht überraschend und außergewöhnlich ist.

Noch berühmter ist das Model „Sturmanskie“. Diese exklusiv für die sowjetische Luftwaffe seit 1949 produzierte Uhr hat einen Durchmesser von 36 Millimetern und ist für heutige Verhältnisse recht klein. Es wird angenommen, dass Juri Gagarin 1961 während des ersten bemannten Weltraumfluges eine Sturmanskie am Handgelenk trug. Die Uhr funktionierte im Weltraum tadellos und ist heute im Moskauer Museum der Kosmonauten ausgestellt.

1964 wird beschlossen, eine einzigartige Marke für alle von der Ersten Moskauer Uhrenfabrik hergestellten Uhren zu verwenden. Da die Sowjetunion besonders stolz auf ihre Errungenschaften während des Weltraumrennens ist, scheint die Marke Poljot (Полёт, übersetzt: Flug) am geeignetsten. Dies ist der Beginn der goldenen Ära von Poljot, die sich über die 60-er bis Ende der 70-er Jahre erstreckt.

Ein weiterer Erfolg im Wettlauf mit den USA zur „Eroberung“ des Weltalls ist der zwölfminütige Weltraumspaziergang von Arkhipovich Leonov im Jahr 1965. Entsprechend erscheint passend dazu ein Strela Chronograf mit dem aufwendigen Schaltrad Kaliber 3017.

Einige Marken aus der Produktion von 1MCHZ

In den 50-er und 60-er Jahren wurden unter anderem nachfolgende Marken in der Ersten Moskauer Uhrenfabrik hergestellt. Einige von ihnen erfreuen sich heute bei Sammlern höchster Beliebtheit und sind sehr begehrt.

  • Kirovskie
  • Kosmos
  • Mayak
  • Moskva
  • Pobeda
  • Poljot
  • Rodina
  • Signal
  • Sportivnie
  • Sputnik
  • Stolichnie
  • Sturmanskie
  • Vimpel

Das Ende der Ersten Moskauer Uhrenfabrik

Der Erfolg des Unternehmens setzt sich zunächst fort. Erneut werden die Fertigungsanlagen eines bankrotten Unternehmens, diesmal allerdings aus der Schweiz, aufgekauft. Im Jahr 1979 wird abermals der Markenname geändert und nun werden die Uhren unter der Bezeichnung Sekonda verkauft.

Zum Ende der Sowjetunion im Jahr 1991 wurde auch das bis dato staatliche Unternehmen Poljot privatisiert. Im Jahr 2004 stellte Poljot die Produktion ein und auch das Nachfolgeunternehmen Maktime Watch Factory gelingt es nicht an die alten Erfolge anzuknüpfen und meldet 2011 ebenfalls Insolvenz an.

Poljot International

Im Jahre 1992 wird die Uhrenvertriebsgesellschaft „Poljot-V GmbH“ in Frankfurt am Main gegründet. Bereits 1994 rufen sie unter der Leitung ihres Geschäftsführers Alexander Shorokhov die neue Uhrenmarke Poljot-International ins Leben. Sie setzt die russischen Traditionen der Marke Poljot fort. Dabei setzen sie auf die Verwendung hochwertiger Materialien für die Uhrenherstellung, entwickeln eigene zeitgemäße Designs. Zusätzlich legen sie Wert auf eine hohe Qualität der Montage und führen eine strenge und systematische Gütekontrolle ein.

In den letzten drei Jahren hat sich Poljot-International, deren Sitz sich im nordbayrischen Alzenau befindet, gut und eigenständig mit stetig wachsenden Umsätzen entwickelt. Der Grund dafür ist die Entwicklung einer neuen Kollektion und eine neue strategische Ausrichtung. Unter dem Motto „Tradition bewahren“ und inspiriert von der traditionsreichen russischen Geschichte der Ersten Moskauer Uhrenfabrik Poljot kreieren sie ihre neuen Modelle. Alle Uhren werden in Deutschland hergestellt, dennoch kann man den Charme, das Designs, die Fingerfertigkeit der Uhrmacher, die Wärme der russischen Seele und natürlich die Liebe des Designers zu Russland spüren und sehen.

Fazit

Bei Poljot Uhren handelt es sich um hochwertige Zeitmesser, die in Russland hergestellt werden. Die Marke hat sich einen Namen für ihre präzisen Mechanismen und das elegante Design gemacht. Die Produktion findet in spezialisierten Fabriken statt, in denen erfahrene Uhrmacher jedes Detail sorgfältig zusammenfügen.

Die Materialien, die für die Herstellung der Uhren verwendet werden, sind von höchster Qualität und sorgen für Langlebigkeit und Zuverlässigkeit. Jede Uhr durchläuft strenge Qualitätskontrollen, um sicherzustellen, dass sie den hohen Standards von Poljot entspricht.

Dank der jahrzehntelangen Erfahrung und des Fachwissens der Mitarbeiter kann Poljot Uhren von höchster Präzision und Schönheit herstellen. Jede Uhr ist ein Meisterwerk, das die Tradition und das Erbe der Marke widerspiegelt.

Quellen:

Alan F. Garratt, Ebook „The Birth of Soviet Watchmaking“
de.wikipedia.org/wiki/Poljot
de.wikipedia.org/wiki/Erste_Moskauer_Uhrenfabrik

Foto: uhrtipps.com

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